Seit Jahren hat Israel iranische Atomwissenschaftler im Visier – in der Hoffnung, mit Angriffen gegen sie das Nuklearprogramm der Islamischen Republik auszubremsen. Nach dem Angriff der USA auf drei Atomanlagen in der Nacht auf Sonntag scheint dies gelungen.

Im direkten Konflikt zwischen Israel und dem Iran sind nun aber auch israelische Forscher ins Fadenkreuz geraten: Eine iranische Rakete traf ein führendes Forschungsinstitut, das unter anderem für seine Arbeit in Biowissenschaften und Physik bekannt ist.

Bei dem Einschlag im Weizmann-Institut für Wissenschaft wurde zwar niemand getötet. Es entstanden jedoch schwere Schäden an mehreren Labors auf dem Gelände, die jahrelange Forschungen zunichtemachten. Zudem wurde israelischen Wissenschaftlern die erschreckende Botschaft vermittelt, dass sie und ihr Fachwissen Zielscheibe im eskalierenden Konflikt mit dem Iran sind.

Israel meldet Erfolg gegen Spionagering

Professor Oren Schuldiner, dessen Labor bei dem Angriff zerstört wurde, spricht von einem „moralischen Sieg“ für den Iran. „Es ist ihnen gelungen, das Kronjuwel der israelischen Wissenschaft zu beschädigen“, sagt der Experte für molekulare Zellbiologie und Neurowissenschaften.

Während des jahrelangen Schattenkriegs zwischen Israel und Iran, der dem aktuellen Konflikt vorausging, zielte Israel wiederholt auf iranische Atomwissenschaftler, um das iranische Atomprogramm zu stoppen. Mit seinem ersten Schlag gegen den Iran vor einigen Tagen setzte Israel diese Taktik fort. Mehrere Atomwissenschaftler sowie ranghohe Generäle wurden getötet und Nuklearanlagen sowie die Infrastruktur für ballistische Raketen getroffen.

Der Iran wurde seinerseits beschuldigt, bereits zuvor mindestens einen Weizmann-Wissenschaftler ins Visier genommen zu haben. Im vergangenen Jahr verkündeten die israelischen Behörden, sie hätten einen iranischen Spionagering auffliegen lassen, der einen israelischen Atomwissenschaftler des Instituts habe töten wollen. Unter Berufung auf eine Anklageschrift berichteten israelische Medien, die Verdächtigen, Palästinenser aus Ost-Jerusalem, hätten Informationen über den Mann gesammelt und das Weizmann-Institut von außen fotografiert. Sie seien festgenommen worden.

„Der Iran hatte das Weizmann-Institut im Blick“, sagt Joel Gusanski, Iran-Experte an der Denkfabrik Institut für nationale Sicherheitsstudien in Tel Aviv. Er könne zwar nicht mit Sicherheit sagen, dass der Iran einen Angriff auf das Institut geplant habe, gehe jedoch davon aus.

Das Weizmann-Institut ist eine multidisziplinäre Forschungseinrichtung mit Verbindungen zum israelischen Verteidigungsapparat. Es symbolisiere „den wissenschaftlichen Fortschritt Israels“, sagt Gusanski. Der Angriff mache die Strategie des Irans deutlich: „Ihr schadet unseren Wissenschaftlern, also schaden wir auch (eurem) wissenschaftlichen Kader.“

Institut und Labors „buchstäblich zerstört“

Das 1934 gegründete und später nach dem ersten israelischen Staatspräsidenten Chaim Weizmann benannte Institut zählt zu den weltweit führenden Forschungseinrichtungen. Weizmann-Forschende veröffentlichen jedes Jahr Hunderte Studien. Ein Nobelpreisträger für Chemie und drei Preisträger des Turing-Preises stehen mit dem Institut in Verbindung, in dem 1954 der erste Computer in Israel gebaut wurde.

Bei dem Anschlag wurden nun zwei Gebäude getroffen. In einem davon befanden sich biowissenschaftliche Labors, das Zweite war noch im Bau und stand leer. Nach Institutsangaben war es für chemische Studien vorgesehen. Dutzende weitere Gebäude wurden beschädigt. Das Institutsgelände ist seit dem Angriff geschlossen. Medienvertreter durften es am vergangenen Donnerstag besichtigen. Zu sehen waren Trümmer, kaputte Fenster, eingestürzte Deckenplatten und verkohlte Wände.

„Mehrere Gebäude wurden schwer getroffen, was bedeutet, dass einige Labors buchstäblich zerstört wurden und nichts mehr von ihnen übrig ist“, sagt der Biochemiker Sarel Fleishman, der das Gelände nach dem Raketeneinschlag besuchte. In vielen dieser Labors werde biowissenschaftlich – etwa zur Erzeugung von künstlichem Gewebe oder zur Krebsbehandlung - geforscht, und in diesen Bereichen seien die Projekte besonders empfindlich.

Ein Großteil sei bei dem Angriff zerstört oder stark beschädigt worden. „Das war das Lebenswerk vieler Menschen“, sagt Fleishman. Forschungsergebnisse von Jahren oder sogar Jahrzehnten seien zunichtegemacht wurden.

Schuldiner sagt, das Labor, in dem er 16 Jahre lang arbeitete, sei „völlig zerstört“ worden: „Es gibt nichts mehr zu retten.“ Der Forscher hatte dort an genetisch veränderten Fliegen geforscht, um neue Erkenntnisse etwa zu Autismus und Schizophrenie zu gewinnen. In dem Labor, in dem Forschende aus Israel und dem Ausland gemeinsam arbeiteten, befanden sich unter anderem hoch entwickelte Mikroskope.

„Unsere Studien wurden alle eingestellt“, sagt Schuldiner. Der Wiederaufbau und die Wiederaufnahme der wissenschaftlichen Arbeit werde wohl Jahre in Anspruch nehmen: „Das ist ein sehr großer Schaden für unsere Forschung und für den Beitrag, den wir für die Welt leisten können.“

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke